Tourengruppe Skiclub Alpina Neudorf

22.-23. Juni 2025 (9 Teilnehmer, Organisation: R. Ziswiler)

Sommerhochtour Tödi/Piz Russein (3614 m)

Die Ski im Keller, die Skischuhe gammeln vor sich hin und die Felle sind trocken; der Sommer ist da. Neun Skiclübler packen Ihre Wanderschuhe und Hochtourenausrüstung und machen sich auf in die Surselva. Die zwei Fahrgemeinschaften treffen sich kurz vor 10:00 Uhr im Cafe dil Tschut in Trun. Nachdem vergeblich auf Italienisch und Spanisch versucht wurde ein Nussgipfel zu ordern begnügt man sich mit Kaffee Créme.

Im Prinzip startet bereits im Dorf der Wanderweg in die Camona da Punteglias. Der Tourenleiter zeigt sich aber gnädig und gewährt die ersten 900hm im Automobil zu absolvieren (an dieser stellen besten Dank an Niklaus Otto und Rudolf Diesel). Via Schlans geht es weiter bis zur Alp da Schlans. Eigentlich gilt hier ein Fahrverbot. Einen Freibrief in Form eines blauen Zettelchen gibt es für Fr. 7.- am Wegesrand. Wir ergattern die letzten Parkplätze und machen uns in der glühenden Mittagssonne auf den Weg.

Bei der Alp da Punteglias kann man bereist die Hütte erkennen. Sie thront an einer Felskante rund 700hm über uns. Wir werden sehr herzlich empfangen und mit Kuchen und Würsten vom Grill versorgt. Da der Hüttenzustieg eher kurz ausfiel war erst Mitte Nachmittag. Wir entschlossen uns die Zeit zu nutzen. Und so übten wir in der 3-er Seilschaft zu gehen/klettern sowie die Möglichkeiten einer Spaltenrettung mit den vorhandenen Mittel. Die Freiluftlektionen waren dann doch der einen oder anderen Wade etwas zu viel Sonne und so wechselten wir zum gemütlichen Teil. Der Hüttenpool lud zur Abkühlung und die Liegestühle ermöglichten die Schlafenszeit in Summe etwas zu verlängern. Es folg noch ein angeregter philosophiescher Diskurs über Glück, bevor die Hüttencrew zum Nachtessen rief.

Nach einem vorzüglichen und währschaften Nachtessen ist um 21:00 Uhr Nachtruhe. Da es um diese Jahreszeit und dieser Uhrzeit draussen noch ziemlich hell ist, war jemand der Meinung, der Fensterladen müsse zu. Dass der Luftaustausch damit signifikant beinträchtig ist, ist dem Ingenieur offenbar entgangen. Nach einer kurzen Nacht ist um 01:45 Uhr Tagwache. Angesichts der angespannten klimatischen Bedingungen im Schlafraum ist niemand so richtig traurig. Und so startet der Tross kurz vor halb drei im Stirnlampenlicht den Gipfelsturm. Die Schwemmebene hinter der Hütte ist schnell durchgangen und schon bald finden wir uns im groben Blockgestein wieder. Wir treffen auf eine Moräne und beginnen den Aufstieg zur Fuorcla da Punteglias. Noch unterhalb der Fuorcla erreichen wir das erste Schneefeld. Von da an werden wir den Pickel für lange Zeit nicht mehr aus der Hand gegeben.

Nach dem Passieren der Fuorcla da Punteglias steigen wir etwas ab in die nächste Geländekammer, dem Val Gliems. Auf losem Untergrund balancieren wir weiter. Die Orientierung ist in der Mondlosen dunklen Nacht nicht einfach. Wir finden aber die Route und steigen wieder auf Richtung Porta da Gliems. Langsam tritt die Dämmerung ein und mit dem Erreichen des Glatscher da Gliems kurz nach 05:00 Uhr können die Klettergurten und Steigeisen bereits ohne Stirnlampe angelegt werden. Wir Verpflegen kurz und bilden die Seilschaften. Jetzt geht es ans Eingemachte!

Der Gletscher endet circa. 60hm Unterhalb der Punta da Gliems. Ein Brüchiger Fels trennt uns vom Übergang. Es ist eine fixe Kette verankert. Diese ist fast unabdingbar: Alles, was man anfasst, hat man in den Händen. Ständig lösen sich kleinere und grössere Steine und prasseln auf die hinteren Tourengänger. Wir beissen uns durch und werden auf der Porta mit den ersten Sonnenstrahlen empfangen. Auch in der dritten Geländekammer des Tages geht es ein paar Höhenmeter bergab, bevor der Schlussaufstieg zum nun sichtbaren Gipfel startet.

Die restlichen 400hm über den Bifertenfiren haben es in sich. Ende Juni will der Schnee auch auf über 3200m wohl nicht mehr gefrieren. Fast unbeirrt stapfen wir durch den schweren, nassen Schnee weiter. Um 08:00 Uhr ist es dann so weit: Exakt 200 Jahre, 9 Monate und 22 Tage nach der Erstbesteigung steht der Skiclub Alpina Neudorf auf dem Piz Russein (3’612m), neben dem Sandgipfel (3’390m) und dem Glaner Tödi (3’570m) der höchsten Gipfel des Tödi.
Trotz der inzwischen aufgezogenen Bewölkung gibt es neben ein paar Sonnenstrahlen eine umwerfende Rundumsicht. Die Weitsicht ist leider etwas getrübt. Aber mit einer Dominanz von über 42 km lassen sich trotzdem der Vierwaldstättersee, quasi alle Innerschweizer Gipfel, über Kurfirsten, Säntis, Berninamassiv, alles was das Bündner Oberland zu bieten hat und bis in das Berner Oberland so einiges erkennen. Man könnte Stunden damit verbringen.

Die Verweildauer ist aber kurz. Der Kalte Wind, vor allem aber die Wetterprognose drängen zum Abstieg. Der geht nicht von allein. Auch wenn man teilweise die Falllinie nutzen kann, der schwere Schnee zerrt an den Kräften. Der Abstieg von der Porta da Gliems ist dann nochmal mit einigem Nervenkitzel verbunden, findet aber unfallfrei statt. Die verschiedenen Techniken beim Abstieg durch die Schlüsselstelle lassen die Zeitabstände der Seilschaften anwachsen. Und so kommt es, dass sich die Gruppe etwas verzettelt. Allein ist aber niemand. Bei Tageslicht ist die Navigation einiges einfacher und der Rückweg ein klein wenig kürzer. Wobei das Tageslicht inzwischen ziemlich gedämpft ist. Die Nachhut erwischt der erste Regenschauer noch vor Erreichen der Fuorcla da Punteglias. Zum Glück nur Regen und kein Gewitter.
Nach kurzer Zeit herrscht wieder Kaiserwetter und der restliche Weg zur Hütte wird im individuellen Tempo absolviert. Die schnelleren werden nicht zuletzt durch den absehbaren Toilettengang motiviert. Rund zehn Stunden sind vergangen als der letzte Trupp die Hütte erreicht. Das aktuelle Wetter und die wunderbare Hüttencrew würden wiederum zum Verweilen einladen. Leider ist bereits eine Gewitterfront angekündigt. Und so muss ein vorzüglicher Hütteneistee reichen. Noch die deponierten Sachen in den Rucksack quetschen sowie die kurzen Hosen montieren, bevor wir den Schlussabstieg unter die Schuhe nehmen. Im Eilschritt geht es Richtung Alp da Schlans zu den Schützenden Fahrzeugen.

Wir verlieren das Rennen gegen die Gewitterfront. Die Intensität ist glücklicherweise gering und mit 15-20 Minuten auch kurz. Schon scheint wieder die Sonne und wir zotteln gemütlich die letzten Meter dem Ziel entgegen. Erschöpft, aber unverletzt und glücklich erreichen wir kurz vor 15:00 Uhr den Parkplatz.

Wir beenden die Tour offiziell auf dem Oberalppass bei einem gemeinsamen Kaffee. Auch ein koffeinhaltiges Süssgetränk steht hoch im Kurs. Diesmal mit Nussgipfel. Die rund 1800hm Aufstieg und fast 2500hm Abstieg an diesem Tag verlangen ihren Tribut: Der Anblick der Tourengänger wie Sie sich vom Auto zum Restaurant und zurück kämpften muss beeindruckend gewesen sein.

Nennenswerter Fun Fact: Eine Sommerhochtour wo alle Schuhsohlen da bleiben wo sie hingehören. Das gab es seit 2021 nicht mehr.

(Tourenbericht: Silvan Burkhard)